ljb:
Nina, nach S-Bahnsurfen, Rollerblades und Kickboardfahren ist Schraubenlockern jetzt der neue Trend. Glaubst du das?
Nina: Nun, das ist bisher nicht eindeutig abzusehen. Noch sind sehr wenige in diesem Bereich aktiv und wir sind auch noch nicht so vernetzt wie zum Beispiel die Kite Surfer oder diese Downhill Typen. Ich denke aber, daß sich das schnell ändern wird. Schraubenlockern braucht keine spezielle Mode, oder so - wie bei den Skatern. Wir verweigern uns da absichtlich ein wenig, gerade auch um uns weiter von den gängigen Funsportarten abzugrenzen. Ich meine - was nutzt dir ein cooles T-Shirt wenn du die Schraube nicht packst? Sinn unserer Bewegung ist einfach die Rückbesinnung auf den Sport und nicht die Anbetung seiner Accessoires.
ljb: Eine harte Nuß also für die Werbeindustrie,
die bisher alle Modetrends für sich in Anspruch genommen und
ausgebeutet hat ...
Nina: ... genau so, wie sie das Lock Picking bewußt
ignoriert, wird sie uns mit wachen Augen taxieren und erstmal abwarten
was passiert. Es klingt nur zu schön, aber meines Erachtens sind
die Trendscouts der zunehmenden Mikroparzellierung der Modeströmungen
und ihrer Subtrends nicht mehr gewachsen. Die Werbung verspricht im
großen Konsens vor allem Individualität, versagt aber
gleichzeitig bei der Darstellung der real existierenden Rand- oder
Splittergruppen, weil die denen wiederum zu individuell sind.
Das ist im Prinzip ein Widerspruch in sich - aber nicht für mich.
Die Kommerzialisierung einer bestimmten Sache setzt die
Gleichschaltung der Konsumenten voraus. Geht das Ganze so weiter wie
bisher, sind wir bald alle Individualisten - bumms - die Werbung hat
keine Zielgruppe mehr und hört endlich auf uns vollzutexten. Da
die Jungs und Mädels nicht komplett blöd sind, halten sie
sich Bewegungen wie die unsere sozusagen als eiserne Reserve. Früher
oder später aber müssen sie auch auf uns und ähnliche
zurückgreifen. Wohl wissend, daß das ihr Schierlingsbecher
sein wird.
ljb: Du bist jetzt 10 Jahre. Was machst du, wenn du keine
Schrauben oder Muttern lockerst?
Nina: Na ja, ich gehe zur Schule, beschäftige mich
zusammen mit meiner Freundin Jessica mit der Verbesserung der
Interprozeßkommunikation an den neuen Linux Kerneln und schreibe
gerade ein Programm zur exakteren Bestimmung der Hubble-Konstante.
Wenn dann noch Zeit bleibt, schmiede ich alte ostindische und
arabische Damaszenerklingen nach.
ljb: Das sind eher ungewöhnliche Dinge für ein 10jähriges
Mädchen ...
Nina: Mmh, was heißt ungewöhnlich. Im nächsten
Jahr mache ich mein Abitur und muß mich dann zwischen Harvard
und dem MIT entscheiden. Das ist alles mehr oder weniger Ablenkung vom
Alltagsstreß. Nichts besonderes eben. Nur um wirklich einen
klaren Kopf zu kriegen, muß ich zwischendurch mal raus und
Schrauben lockern. Es ist irgendwie so eine wunderbare Verbindung
zwischen der nackten Physik der Flankenpressung und dem kreativen
Prozeß der Lockerung und so gleichsam eine Parabel par
Excellence für Streßbewältigung.
ljb: Nina, glaubst du, daß für die Hochbegabtenförderung
in Deutschland zu wenig getan wird?
Nina: Ja
ljb: Nina, wir danken dir für dieses Gespräch.
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Nina P. (Name von der Redaktion geändert)
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