Also Freunde,



"Wer Freunde hat, hat Küßchen. Wer Küßchen hat, hat Freunde"

Ein feines Konstrukt, was? Schlicht und harmlos steht es da, bis wir es mit unserer Brechstange aus gehärteter Logik behandeln. Invertieren, besser gesagt.

"Wer keine Küßchen hat, hat keine Freunde. Wer keine Freunde hat, hat keine Küßchen"

Mmh, ja und? Ein schnödes Argumentum e Contrario, werdet ihr sagen. Er fängt an zu schwächeln.

Moooment!

Der Nebensatz der zweiten Theorie lautet: "hat keine Freunde", bzw. "hat keine Küßchen". Angenommen wir gehen mit einer vollen Schachtel Küßchen in das "Schützeneck", einen über die Stadt hinaus bekannten Glatzentreff. Die Jungs sind gerade damit beschäftigt, einen Latzhosenträger zu vermöbeln.

Im Gegensatz zu Ulli jedoch, der seine Schachtel immer vor der Brust trägt, haben wir unsere tief unten im Rucksack verstaut. Jetzt bestellen wir, gegen die Schmerzenschreie des Langhaarigen anbrüllend, eine heiße Milch mit Honig und schaffen so eine Grundlage für unser erstes Paradoxon.

Sicherheitshalber rufen wir noch ein vernehmliches "Glatzen raus aus Deutschland" in den langsam leiser werdenden Kampflärm und stecken dem ersten Besten neben uns irgendetwas langes und dünnes in sein Ohr. Möglichst tief.

Nachdem der Notarzt unseren Tod festgestellt hat, wird dann ein mürrischer Kriminalhauptkommissar den Inhalt unseres Rucksacks durchwühlen und sagen: "Seltsam, dabei hatte er doch Küßchen?! ..."

Schwächeln, ja?

Angenommen, eines Tages werden sich Palästinenser und Israelis verbrüdern. Der ganze Zoff ist vergessen, Scharon und Arafat schütteln sich minutenlang im Blitzlichtgewitter der Weltpresse die Hände und umarmen sich herzlich. Einige aufmerksame Palästinenser verfolgen das Geschehen jedoch sehr gespannt. Nachdem sie das Filmmaterial der Feierlichkeiten ausgewertet haben, durchsuchen sie den Ort der Verbrüderung, das Jerusalem Hilton, bis auf den letzten Winkel.

Sie finden nichts. Keine einzige Schachtel Küßchen. Kurz danach werden die ersten Straßensperren wieder aufgebaut und erneut Sprengstoffgürtel an Jugendliche verteilt. Die Lage verschärft sich weiter, als es einem Sonderkommando der Araber gelingt, Hans Peter Albrecht aus den Folterkammern des Mossad zu befreien. Aber auch unter arabischer Folter kann er nicht erklären, wieso es bei der Verbrüderung nicht zur spontanen Erscheinung einer Küßchen-Schachtel, dem sogenannten "SEEKS", gekommen ist.

Tags darauf wird Scharon von zwei 12jährigen Palästinenserinnen in die Luft gesprengt. Zwei Wochen später besetzen amerikanische Bodentruppen Jerusalem. In ihrem Abschiedsvideo sagen die beiden Selbstmordattentäter rotzig: "Scharon war niemals unser Freund; er hatte keine Küßchen ..."

So. Neulich war ich verliebt, übrigens.

Sie war die absolute Traumfrau. Intelligent, gutaussehend und mit großem Hund. Nach zwei Wochen sprachen wir über Heirat und nach vier Wochen über Kinder. Wir waren füreinander bestimmt. Bis zu diesem verdammten Dienstag im Dezember.

Der Postbote drückt mir ein Paket in die Hand. Ein Weihnachtsgruß eines Kunden. Neugierig öffne ich es und finde neben einer Flasche guten Cognacs eine Schachtel Ferrero Küßchen. Bevor ich sie in den Müll werfen kann, klingelt das Telefon. Noch während des Gesprächs kommt meine Süße nach Hause. Ein flüchtiger Kuß und schnell das Gespräch beenden. SIE ist da ...

In dem Moment, als ich das Telefon weglege, tippt sie mir auf die Schulter. "Schatz, wie schö ..." Weiter komme ich nicht. "Wenn ich gewußt hätte, daß du so eine Scheiße frißt, hätte ich meinen Hund auf dich gehetzt, du Arsch!" Und mit voller Wucht knallt sie mir die Schachtel in´s Gesicht.

Von wegen schwächeln.

Ich hatte ganz einfach zwei Wochen Zeit, um über Freunde und Küßchen nachzudenken. Mein Unterkiefer war zweimal gebrochen und wegen des Schädeltraumas habe ich diese zwei Wochen im Krankenhaus verbracht. Und glaubt bloß nicht, daß mich die Schlampe auch nur einmal besucht hat.


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